Die
schiitische Minderheit der Hazara in Pakistan wird von sunnitischen Extremisten
terrorisiert. Während der Staat wenig zu ihrem Schutz tut, gehen die
Angehörigen der Opfer auf die Straße.
Der 32jährige
Ladeninhaber Ramazan aus Quetta ringt immer noch um Fassung, wenn er sich an
das schreckliche Ereignis erinnert: "Es ist etwa zwei Monate her, dass sie
unser Geschäft und drei weitere angegriffen haben. Mit sieben Motorrädern kamen
die Angreifer. Ich war zur der Zeit gerade weg, als ich einen Anruf bekam. Als
ich zurückkam, lag mein großer Bruder tot auf dem Boden."
Er sei
eben ein Hazara, sagt er, das sei Grund genug für die Mörder gewesen, seinen
Bruder, einen Vater von drei Kindern, zu töten. Kein Einzelfall in der
pakistanischen Stadt Quetta, Hauptstadt der an Afghanistan grenzenden südlichen
Provinz Belutschistan. Seit über zehn Jahren werden die zumeist schiitischen
Hazara in Pakistan verfolgt, mit bislang rund 700 Todesopfern und Tausenden
Verletzten.
Hass sunnitischer Extremisten
Obwohl
sie in Afghanistan die drittgrößte Volksgruppe sind, wurden die Hazara wegen
ihrer religiösen und ethnischen Sonderstellung immer wieder Opfer von
Verfolgung und Diskriminierung. Viele sind in den Iran und nach Pakistan
geflohen, auch vor den innerafghanischen Kriegen seit 1979. Etwa eine halbe
Million Hazara leben in Pakistan, hauptsächlich in Quetta.
Vor allem
die extremistische sunnitische Gruppe Lashkar-e Janghvi hat sich auf die
Ermordung von Hazara spezialisiert. Niamatullah Ibrahimi, Politikwissenschaftler
aus Kabul und selbst Hazara, erklärt den Anstieg der Gewalt gegen seine
Volksgruppe so: "Zwischen 1997 und 1999 habe ich in Quetta die
extremistische Propaganda gegen die Schiiten erlebt. Diese extremistischen
Gruppen konzentrierten sich aber damals als Verbündete der Taliban auf den
Krieg in Afghanistan. Nach 2001 kamen sie sie zurück nach Pakistan und
attackierten verstärkt die Hazara."
Insgesamt
hat die religiös motivierte Gewalt zwischen der Mehrheitskonfession der
Sunniten und den Schiiten in Pakistan seit den 80er Jahren stark zugenommen. Politikwissenschaftler
Jochen Hippler: "Das betrifft natürlich auch die Mitglieder der Hazara-Gemeinschaft,
die nicht nur schiitisch sind, sondern auch ethnisch einen anderen Hintergrund
haben und auch äußerlich erkannt werden können. Das heißt also, sie sind
sozusagen eine doppelte Minderheit, eine religiöse und dann eine ethnische."
Aktivisten
der Hazara machen neben den extremistischen Gruppen Pakistans den dortigen
Geheimdienst ISI für die Gewalt verantwortlich. Die pakistanische Regierung
weist solche Vorwürfe zurück. Abdul Khaliq Bashardost, Mitglied der
Provinzregierung in Belutschistan, sieht den Schuldigen woanders: "Ich
denke nicht, dass der Geheimdienst ISI hinter den Morden an den Hazara steckt. Vielmehr
ist es (die US-Söldnerfirma – Red.) Blackwater, die das schiitische Iran auf
das sunnitische Pakistan hetzen möchte und deshalb die Schiiten umbringen lässt."
Pakistanische Regierung schaut weg
Solche
Behauptungen werden von Experten nicht ernst genommen. Die Regierung schiebe
die Schuld auf äußere Einflüsse, sagt Siegrid Krieg von Amnesty International
Deutschland. Sie unternehme nur halbherzige Versuche, der Hazara- Bevölkerung
zu helfen: "Von Seiten der pakistanischen Regierung passiert gar nichts. Wegen
des bürgerkriegsähnlichen Unabhängigkeitskonflikts sind pakistanische Soldaten
in Belutschistan, die die Belutschen bekämpfen. Aber für die Hazara tun sie
nichts." Die Haltung Islamabads in Bezug auf die Hazara sei zynisch, so
Siegrid Krieg.
Vor
einigen Wochen äußerte sich der Chefminister der Provinz, Nawab Aslam Raisani, in
der Tat äußerst spöttisch. Die Hazara sollten nicht so übertreiben, er würde
ihnen sonst gerne eine Ladung Taschentücher vorbeischicken, berichtete Newsline
Pakistan. Aber auch international erhielten die Hazara so gut wie keine
Aufmerksamkeit, gibt Siegrid Krieg zu. Selbst Amnesty International hat bisher
nur einen Bericht über die Hazara herausgebracht. Der Unabhängigkeitskampf der
Belutschen wird dagegen international wahrgenommen. Für die Belange von Ramazan,
dem Ladenbesitzer, gibt es kein Gehör. Er ist nur einer von Hunderten Hazara, die
Familienmitglieder auf diese Weise verloren haben.
Quelle: dw.de
|